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06.10.2017

Gemeinsam gegen Familiengewalt - Manpower, Jugendamt und Polizei vereinbaren neue Standards


Felix hat keine unbeschwerte Kindheit. Er erlebt als Fünfjähriger häufig, dass sein Vater die Mutter schlägt. Das tut er dann, wenn er wieder einmal zu viel getrunken hat, oder wenn er wieder eine Absage für eine Arbeitsstelle bekommen hat. Felix ist sehr verunsichert, verzweifelt und hat Angst. Angst um die Mutter, die er nicht schützen kann. Angst hat er vor dem Vater, auch wenn er ihm selbst nichts tut. Und Angst ist eine schlechte Voraussetzung für eine kindeswohlgerechte Entwicklung.

So oder anders stellt sich Familiengewalt als eine Form von Häuslicher Gewalt dar. Die Bayerische Polizei hat hier ein besonderes Augenmerk auf diese Erscheinung hinter den privaten Wohnungstüren und hat für Häusliche Gewalt in jeder Inspektion spezielle Schwerpunktsachbearbeiter eingesetzt.

Für die Polizeiinspektion Ochsenfurt ist dies Winfried Koschnicke, seit 40 Jahren Polizeibeamter und in vier Monaten Pensionist. „In unserem Zuständigkeitsbereich stellten wir 2016 insgesamt 23 Fälle von Häuslicher Gewalt fest, davon 10 Fälle, in denen Minderjährige in Familien betroffen waren. „Es gibt eine leichte Steigerung in den letzten Jahren in der Anzahl und vor allem in der Qualität“.

Auf Koschnicke wird lückenlos die Polizeibeamtin Michaela Kuhn nachfolgen. Martina Jordan komplettiert für die Polizeiinspektion Würzburg Land: „ In 34 % der Fälle von Häuslicher Gewalt sind Minderjährige betroffenen. Und das ist nur die so genannte Hellfeldziffer. Es gibt noch eine erheblich höhere Dunkelziffer, weil nicht alle Fälle zur Anzeige kommen.“

Zwar gibt es seit 2002 das Gewaltenschutzgesetz, das gerade hier Betroffene vor Gewalt im häuslichen und familiären Kontext schützen soll. Polizeibeamte können Wohnungs- und Platzverweise für die Täter erteilen; Richter können Annäherungsverbote und Schutzanordnungen aussprechen. Beim Polizeipräsidium Unterfranken, sowie bei örtlichen Beratungsstellen der freien Träger gibt es für Betroffene außerdem ein spezielles Beratungsangebot.

Lücken im Schutz von betroffenen Kindern

Und hier beginnen rechtliche und praktische Lücken bei Familiengewalt für den Schutz von betroffenen Kindern. „Wir werden künftig standardmäßig jeden Fall von Familiengewalt, der uns bekannt wird oder den uns die Polizei vorlegt, als Anhaltspunkt für eine mögliche Kindeswohlgefährdung behandeln und prüfen“, stellte Hermann Gabel, Leiter der Sozialpädagogischen Dienste im Amt für Jugend und Familie am Landratsamt Würzburg fest.


Es wird dabei jeder Fall auf Hinweise für eine psychische Gefährdung des Kindeswohls geprüft sowie geeignete Hilfen angeboten, notwendige Maßnahmen werden ergriffen und auch im Einzelfall entschieden, ob Sachverhalte, die nicht bereits polizeibekannt sind, bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht werden müssen.

Stellvertretender Fachbereichsleiter Roman Menth ergänzt: „Hilfen des Jugendamtes beziehen sich nicht nur auf die Opfer im Rahmen von Schutz- und Hilfekonzepten. Es gibt auch Angebote für Täter, damit diese künftig besser mit ihrer offensichtlichen Gewaltbereitschaft und ihrer mangelnder Steuerungsfähigkeit umgehen können.“

Angebote für Täter

Genau hier kommt „Manpower“ ins Spiel, ein seit 2001 existierendes Angebot der Beratungsstelle Familypower des Bezirksverbands der Arbeiterwohlfahrt, das auch vom Landkreis Würzburg gefördert wird.

Herbert Wimmer, diplomierter Sozialpädagoge und Psychodramatherapeut, berät dort gewalttätige und gewaltbereite Männer und auch Frauen in Einzelberatungen oder Gruppensitzungen: „Die Männer kommen entweder freiwillig oder werden von Jugendamt oder Polizei geschickt, um an ihren Problemen zu arbeiten“, berichtet Wimmer. Er hat im Jahr 2016 mit 61 Männern einzeln, in Gruppen oder in gemeinsamen Familiengesprächen gearbeitet und dabei festgestellt: „Wichtig ist die Problemeinsicht und Veränderungsbereitschaft als erster Schritt zu einer wirkungsvollen Gesprächstherapie.“

Polizei, Jugendamt und „Manpower“ wollen künftig effektiver und umfassender zusammenarbeiten. „Gesprächsgruppen sollen auch nach Möglichkeit im Kreisgebiet und nicht wie bisher nur in der Stadt Würzburg stattfinden. Außerdem tauschen sich die Kooperationspartner im Bereich der Familiengewalt häufiger in Arbeitsbesprechungen und in der Auswertung der in sich greifenden Zusammenarbeit aus“, betont Gabel. „Im kommenden Jahr sind außerdem gemeinsame praxisnahe Fortbildungen geplant.“ Koordinierender Ansprechpartner im Jugendamt für Familiengewalt ist künftig Roman Menth.

Dieses Maßnahmenpaket der zuständigen Stellen soll Kindern wie Felix helfen, dass sie künftig angstfrei und dem Kindeswohl gerecht aufwachsen können.